Laura Scheerer

Bild
P11 public spheres

Raumprogramm —
Churerstrasse 77

Wie die Steuer­politik die Stadt­entwicklung beeinflusst und Brief­kasten­firmen sichtbar werden.

Pfäffikons Steuerpolitik löste in den letzten Jahren einen Bauboom aus, der die Gemeinde stark verändert hat. Die stetige Ökonomisierung bewirkte einen raschen gesell­schaftlichen Wandel – Pfäffikon plant nach den Bedürfnissen der Mittel- und Ober­schicht, den Nutz­niessern der Steuer­politik. Dieser Wandel ist im öffentlichen Raum sichtbar und schreitet weiter voran; eine starke Urbanisierung im Dorf ist zu beobachten. Ein Sinn­bild für diesen Wandel sind für mich Brief­kasten­firmen. Sie sind virtuelle Konstrukte, die vor Ort nicht wirklich existieren.

Ausgangs­punkt meines Projektes ist die Frage, wie es wäre, wenn die Brief­kasten­firmen vor Ort existierten. Durch zwei Eingriffe mit einfachen Mitteln aus der Praxis wird dieses Szenario aufgezeigt: Einerseits mittels Briefkästen, anderer­seits durch ein Bau­gespann. Das Bau­gespann zeigt auf, wie gross das Gebäude sein müsste, wenn alle Brief­kasten­firmen vor Ort wären. Dazu erhält jede Firma ihren eigenen Briefkasten.

Das Baugespann dient der Ankündigung von geplanten Bauten und der Ver­anschaulichung des Gebäude­volumens in der Umgebung. Diese Methode wurde aufgenommen um zu zeigen, wie gross das Gebäude aufgrund aller eingetragenen Firmen sowie geschätzten Mitarbeiter­zahlen sein müsste.1 Wie in der Architektur üblich wurden mit dem Raum­programm die benötigten Flächen und Büros festgelegt. Die Bau­profile zeigen das fehlende Gebäude­volumen auf.

Die zwei Eingriffe zeigen im Raum die mögliche Existenz der Brief­kasten­firmen auf und machen diese fassbar. Das Orts­bild wird zeichnerisch mit den virtuellen Firmen ergänzt.

1Nach CRIF Teledata

Churerstrasse 77, 8808 Pfäffikon SZ

Briefkastenfirma

Der Begriff Brief­kastenf­irma wird umgangs­sprachlich gebraucht für Unternehmen, die nur zu Steuer­ersparnis­zwecken gegründet werden und am Ort nicht existieren. Sie besitzen einen Brief­kasten am Handels­register­ort, sind dort aber nicht weiter sichtbar oder tätig. Heutzutage wird nicht einmal mehr ein Brief­kasten von der Firma am Ort unterhalten. Anstelle des Brief­kastens lässt das Auftauchen einer c/o-Adresse im Handels­register auf dieselbe Praxis schliessen.

Nach aktuellen Recherchen sind in Pfäffikon SZ von insgesamt 2113 Unternehmen 203 mögliche Brief­kasten­firmen. In Lachen sind es 86 von total 955 Unternehmen. Sie nutzen diese Strategie, solange die Steuer­vorteile gewährleistet sind. Obwohl sie in den Gemeinden nicht physisch präsent sind, hat ihre Existenz weit­reichende Auswirkungen. Einerseits werden Treu­hand­firmen und Anwaltskanzleien in die Gemeinden gelockt, welche die Miet- und Immobilien­preise nach oben treiben. Andererseits sind die steuerlichen Einnahmen für die Gemeinde von den Brief­kasten­firmen nur solange gewähr­leistet, wie die Steuern tief gehalten werden. Sobald die Steuern angehoben werden, fallen die Einnahmen der Brief­kastenf­irmen weg, da sie sich entlang von Orten mit tiefen Steuern bewegen. Beispielsweise sind an der Churerstrasse 77 in Pfäffikon zwischen 2011 und 2015 43 Firmen weggezogen.

www.laurascheerer.ch
info@laurascheerer.ch

auf Karte zeigen